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Orwell or Huxley

Zwei der wichtigsten Autoren, die über zukünftige dystopische Gesellschaften geschrieben haben, sind George Orwell (1984) und Aldous Huxley (Brave New World). Während Orwells Szenario mehr über Repression, Verarmung, Gewalt, Angst und Kontrolle funktioniert, stellen in der “Schönen neunen Welt” Indoktrination, Kastensystem, Konsum, Sex und Drogen die wesentlichen Kontrollwerkzeuge dar.

Vielleicht muss man sich irgendwann eingestehen, dass sowohl Orwell als auch Huxley Recht hatten und beide Szenarien parallel existieren.

Roman Kasperski

Orwell: Methoden der Machtausübung

Kontrolle der Vergangenheit

Ein elementares Konzept der Partei zur Kontrolle der Gedanken ist die Kontrolle der Vergangenheit. Deshalb wird im Ministerium für Wahrheit ein gigantischer Aufwand betrieben, alle existierenden Dokumente der gegenwärtigen Parteilinie anzupassen. Von der Partei oder dem Großen Bruder geäußerte Voraussagen z. B. zur Güterproduktion oder dem Kriegsverlauf werden an die tatsächlich eingetretenen Fakten angepasst, damit „die Partei immer recht hat“. Niemand soll in der Lage sein, mittels historischer Dokumente Aussagen der Partei zu widerlegen. Auch Berichte, die sich auf positive Art und Weise über Personen äußern, die inzwischen durch „Verschwindenlassen“ oder „Vaporisieren“ („Verdampfen“) zu „Unpersonen“ geworden sind, werden umgeschrieben. Außerdem wird durch die fortlaufende Änderung von Berichten über die Kriegslage der Bevölkerung stets der Eindruck vermittelt, dass der Staat schon immer mit dem jeweiligen Gegner verfeindet war, so dass der häufige Wechsel der Kriegsgegner aus dem Bewusstsein schwindet. Um dies zu ermöglichen, wird die Parteizeitung, die Times, regelmäßig bis in alle historischen Ausgaben laufend angepasst und alte Ausgaben unter Beibehaltung des Datums neu gedruckt. Die nicht mehr in die Parteilinie passenden alten Exemplare werden aus den Archiven genommen und vernichtet.

Auch dafür gibt es ein berühmtes historisches Vorbild, das Orwell möglicherweise kannte, eine Fotografie von Lenin. In der Originalversion stehen Trotzki und Kamenjew neben ihm. In der zweiten Version ist Trotzki wegretuschiert, aber Kamenjew steht noch da. In der dritten Version ist auch Kamenjew verschwunden. Siehe auch: Damnatio memoriae

Krieg ist Frieden

In Orwells Welt führen die drei Supermächte nur noch begrenzte Kriege an der Peripherie. Es genügt ihnen, um die Bevölkerung dazu zu bewegen, sich mit Armut und Mangel infolge des Kriegszustandes zufriedenzugeben. Da dies im Interesse aller drei Regierungen liegt, verhindert es den großen Krieg zwischen ihnen. Dass sie ständig ihre Bündnispartner wechseln, ändert daran nichts (vgl. Mächtegleichgewicht). Die Situation sichert die Herrschaft aller drei Supermächte, denn sie sind unwillig und/oder unfähig, die Bevölkerung angemessen zu versorgen. Um zu unterstreichen, dass die Bevölkerung sich mit dem Zustand zufriedengeben kann (und muss), verbreitet die Partei den Slogan „Krieg ist Frieden“, wobei Frieden der stets erwünschte und zu erreichende Zustand ist, der regelmäßig in der Propaganda der Partei in greifbare Nähe rückt.

Allerdings vermuten im Zuge des Romans sogar Julia und später Winston, dass möglicherweise die Regierung von Ozeanien selbst Bomben abwirft, um die Gegenwärtigkeit des Kriegs aufrechtzuerhalten. Die Vermutung wird genährt von der Tatsache, dass diese Bombenangriffe niemals auf Wohngebiete der Parteimitglieder gerichtet sind, sondern immer auf Gebiete der Proles niedergehen.

Zwiedenken

Hauptartikel: Doppeldenk

Zwiedenken (in neueren deutschen Ausgaben: Doppeldenk, engl. doublethink) ist eine zentrale These des Buches. Wenn die Partei sagt, dass 2 + 2 = 5 ist, dann ist es so. Es genügt auch nicht, es nur zu sagen und dabei zu lügen, man muss es wirklich glauben. Da die Partei die Gedanken kontrolliert, glauben die Menschen, dass 2 + 2 = 5 ist, wenn die Partei dies sagt, und wenn die Menschen es glauben, dann ist es so. Andererseits wird von O’Brien gegenüber Winston eingeräumt, dass es z. B. für wissenschaftliche Zwecke mitunter schon erforderlich sei, zu wissen, dass 2 + 2 = 4 ist. Hier setzt dann das eigentliche Zwiedenken ein, da vom linientreuen Parteimitglied verlangt wird, zwischen „zwei Wahrheiten hin- und herzuschalten“ (in einem Moment 2 + 2 = 5, im nächsten 2 + 2 = 4), ohne sich dessen bewusst zu sein. Eine objektive Wahrheit außerhalb der Partei gibt es nicht. Unter der Folter sieht Winston tatsächlich einmal die verlangten fünf Finger, obwohl ihm O’Brien nur vier zeigt. O’Brien: „Die Wirklichkeit spielt sich im Kopf ab. … Es gibt nichts, was wir nicht machen könnten. … Sie müssen sich von diesen dem neunzehnten Jahrhundert angehörenden Vorstellungen hinsichtlich der Naturgesetze freimachen. Die Naturgesetze machen wir.“

Hasswoche

Siehe auch: Hass-Woche

Die Hasswoche ist eine Propagandaveranstaltung, die dem Hass auf politische und militärische Gegner gewidmet ist. Wie austauschbar diese Gegner für das System sind, zeigt eine Episode, in welcher der Hassredner mitten in seiner Rede einen Zettel zugeschoben bekommt, auf dem steht, dass der Gegner gewechselt hat. Ohne zu stocken oder sich einmal zu versprechen, setzt er seine Rede fort; Hassobjekt ist jetzt der neue Gegner. Die kleine Schwester der Hasswoche ist der tägliche Zwei-Minuten-Hass, an dem jeder teilnehmen muss.

Gegen seinen Willen kann sich auch Winston der dort erzeugten Hassgefühle nicht erwehren, sie nur zum Teil gegen die Partei, anstatt wie eigentlich gewollt, gegen das von der Partei vorgegebene (Ersatz-)Objekt wenden. Innerhalb der kollektiven Situation, die massenpsychologische Auswirkungen hat (Winston wird von dem Hass angesteckt), reagieren die Teilnehmenden ihre aufgestauten negativen Emotionen geleitet von der Partei in ihr genehme Bahnen ab. Zugleich rufen die von der Partei produzierten Inhalte Ängste hervor, vor denen die Menschen, wie versichert wird, nur der Große Bruder beschützen kann.

Unperson

Politische Gegner werden liquidiert („verflüssigt“) – vaporisiert („verdampft“) auf Neusprech, bzw. vor einem Massenpublikum öffentlich erhängt. Damit allein ist die Partei aber nicht zufrieden: Jede Erinnerung an die Ermordeten muss ausgelöscht werden; sie werden zur Unperson – es gibt sie nicht, es hat sie nie gegeben. Dies wird am Beispiel eines Arbeitskollegen von Winston namens Syme verdeutlicht, der begeistert an der Entwicklung von Neusprech mitarbeitete, jedoch eines Tages „verschwand“ und „nie existiert“ hatte. Eine ganze Abteilung in Winstons Ministerium ist unablässig damit beschäftigt, Dokumente, in denen Unpersonen erwähnt werden, zu vernichten und neu zu verfassen. Das Vorbild hierfür ist offensichtlich die Sowjetunion unter Stalin. Dort wurde die Geschichte der Revolution ständig neu geschrieben. Sogar Fotos wurden dafür retuschiert bzw. manipuliert.

Neusprech

Hauptartikel: Neusprech

Der Ausdruck Neusprech (englisch: Newspeak, in älteren Versionen als Neusprache übersetzt) bezeichnet eine Sprache, die aus politischen Gründen künstlich modifiziert wurde. Neusprech ist die eingeführte Amtssprache in Ozeanien: Die zehnte, und gegen Ende des Buches auch die elfte Auflage des den Neusprech festlegenden Wörterbuchs werden zur Zeit der Handlung erstellt. Neusprech ist in drei Teile gegliedert. Teil A umfasst die Alltagssprache, die von jeder politischen und ideologischen Bedeutung frei sein sollte. Teil B stellt das unabdingbare Minimum des ideologischen und politischen Wortschatzes dar. Teil C ist mit Abstand der umfangreichste und beinhaltet die technischen und wissenschaftlichen Fachausdrücke.

Neusprech soll nach und nach die Alltagssprache („Altsprech“) verdrängen und dient dazu, den Wortschatz zu reduzieren, um so differenziertes bzw. nuanciertes Denken zu erschweren. Das zeigt der Satz „Altdenker unbauchfühl Engsoz“ (Oldthinkers unbellyfeel Ingsoc) im Kommentar der Parteizeitung in Neusprech. Eine annähernde Übersetzung in Altsprech könnte lauten: „Derjenige, dessen Weltanschauung sich vor der Revolution geformt hat, kann die Prinzipien des Englischen Sozialismus niemals in seiner letzten Tiefe erfühlen und verstehen“.

Gab es in Altsprech für jedes Adjektiv noch ein entsprechendes Gegenteil, so wird in Neusprech jedes Gegenteil durch ein vorangestelltes un- gebildet. So lautet zum Beispiel das Gegenteil von gut ungut und von warm unwarm. Steigerungsformen werden durch ein vorangestelltes plus (Komparativ) beziehungsweise doppelplus (Superlativ) gekennzeichnet: So werden beispielsweise besser und am besten durch plusgut bzw. doppelplusgut ersetzt. Außerdem werden fast alle Unregelmäßigkeiten an die Regeln angeglichen. Längere Bezeichnungen wie Ministerium für Wahrheit werden einfach zu Miniwahr verkürzt. Dahinter verblasst auch die ursprüngliche Bedeutung der Worte.

Ein weiteres Mittel sind Euphemismen (Beschönigungen), Neologismen und Umdeutungen. Die Haft- und Folterlager des Systems heißen Lustlager. Das dahinterstehende Ministerium ist das Ministerium für Liebe. Die politischen Gefangenen sind Gedankenverbrecher. In Parolen der Partei, wie zum Beispiel Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei und Unwissenheit ist Stärke, werden den Wörtern einfach neue Bedeutungen zugewiesen, damit sie nicht gegen die Partei verwendet werden können. Auch haben Wörter je nach Bezug(sperson) andere Bedeutungen, so kann „schwarzweiß“, ob benutzt für Parteimitglieder oder -feinde, besondere Parteitreue oder aber Landesverrat bedeuten. Damit unterbindet die Partei von Anfang an, dass ein alternatives System gedacht werden kann. So könne man zwar in Neusprech durchaus sagen: „Der Große Bruder ist ungut“, differenzieren oder begründen aber lasse sich diese Aussage nicht, denn dafür fehle das notwendige Vokabular. Für ein orthodoxes Parteimitglied beinhalte ein solches Verbrechendenk oder Deldenk daher eine völlig unhaltbare, absurde Feststellung und bleibe nur ein grober Fluch und für die Partei ungefährlich.

Ein gutes Beispiel dafür liefert Orwell im Anhang des Romans (je nach Ausgabe), wo er die Prinzipien von Neusprech erklärt:

„Die Worte ‚Kommunistische Internationale‘, zum Beispiel, erinnern an ein Bild von weltweiter Brüderlichkeit, rote Flaggen, Karl Marx und der Pariser Kommune. Das Wort ‚Komintern‘, andererseits, suggeriert eher einen straff organisierten Körper mit einer wohldefinierten Doktrin. Es verweist auf etwas, das so simpel erkannt wird […] wie ein Stuhl oder ein Tisch. ‚Komintern‘ ist ein Wort, das ohne Aufhebens geäußert werden kann, aber ‚Kommunistische Internationale‘ ist eine Phrase, über die jeder wenigstens eine kurze Zeit lang zögert. Gleichermaßen sind die Assoziationen, die von einem Wort wie ‚Minitrue‘ geweckt werden, seltener und besser kontrollierbar als jene, die von ‚Ministry of Truth‘ erzeugt werden.“

– Anhang der Ausgabe Nineteen Eighty-Four. Penguin Books 1990, ISBN 0-14-012671-6[13]

Wegen der umfangreichen Arbeiten, alle Bücher von Altsprech in Neusprech zu übersetzen, wird der Zeitpunkt der endgültigen Einführung von Neusprech auf 2050 festgesetzt.

(Gedanken-)Verbrechen

Im Jahre 1984 werden kritische Gedanken, sogenannte Gedankenverbrechen, die die Doktrin des fiktiven Staates Ozeanien in Frage stellen, als Staatsverbrechen behandelt. Das erklärte Ziel der herrschenden totalitären Partei ist, durch die Einführung einer neuen Sprache (Neusprech genannt), durch ständige Verfälschung der Geschichte und durch totale Kontrolle und Bedrohung den Bürgern die Möglichkeiten zu entziehen, Gedankenverbrechen zu begehen. Beispielsweise liegt Ozeanien abwechselnd mit Eurasien oder aber mit Ostasien im Krieg, während es mit dem jeweils anderen in Frieden lebt. Wenn Ozeanien mit einem Staat Krieg führt, dann führte es schon immer mit diesem Staat Krieg und wird auch in Zukunft immer mit diesem Staat Krieg führen, während man mit dem anderen Staat immer in Frieden lebte und auch in Zukunft immer in Frieden leben wird. Wer das nicht anerkennt, begeht ein Gedankenverbrechen. Es gilt auch als Verbrechen, nicht den je nach Anlass geforderten freudigen, ernsten oder auch hasserfüllten Gesichtsausdruck zu tragen.

Ozeanien

Die drei Supermächte

Ozeanien ist eine der drei verbleibenden Supermächte der Welt, neben Eurasien und Ostasien. Ozeanien besteht aus den früheren Staaten Amerikas, den Inseln des Atlantiks, einschließlich der Britischen Inseln, Australasien und dem südlichen Teil von Afrika, Eurasien in etwa aus Kontinentaleuropa, der Türkei und der früheren Sowjetunion, sich ausdehnend von der Iberischen Halbinsel bis zur Beringstraße. Ostasien besteht aus China, den südlich davon gelegenen Staaten, Korea, der Mongolei und Japan. Ozeanien befindet sich stets mit mindestens einer der beiden anderen Mächte im Krieg; es geht dabei jedoch ausschließlich um die Ablenkung der Bevölkerung und niemals wirklich um das umkämpfte Territorium oder die Vernichtung der Feinde. Letzteres erscheint durch das absolute Kräftegleichgewicht ohnehin unmöglich. Eurasien ist durch seine riesigen Landflächen geschützt, Ozeanien durch die Ausdehnung des Atlantischen und des Pazifischen Ozeans, Ostasien durch die Gebärfreudigkeit und den Fleiß seiner Bewohner.

Entwicklung

Logo des Engsoz (engl. Ingsoc)

Der Roman selbst erklärt wenig über die Geschichte von Ozeanien. Allerdings erhält Winston im zweiten Teil des Romans von O’Brien eine Kopie von Goldsteins parteikritischem Buch. Auch wenn sich später herausstellt, dass dieses Buch tatsächlich von der Partei selbst verfasst wurde, erklärt es schlüssig das Konzept der Partei und die Geschichte des Engsoz (englischer Sozialismus, im englischen Original Ingsoc, abgeleitet aus English Socialism). Demnach soll es kurz nach dem Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg im Vereinigten Königreich zu einer sozialistischen Revolution gekommen sein.

Währenddessen startete die Sowjetunion eine massive Invasion in Europa und übernahm den gesamten Kontinent mit Ausnahme des Vereinigten Königreiches. Ein dritter – diesmal atomarer – Weltkrieg brach zwischen Ozeanien (geführt von den ehemaligen USA), Eurasien (geführt von der ehemaligen Sowjetunion) und Ostasien (geführt vermutlich vom ehemaligen China[14]) aus, Atombomben wurden über Europa, Westrussland und Nordamerika abgeworfen. Im späteren Krieg wird auf den Einsatz von Nuklearwaffen verzichtet, da die Supermächte fürchteten, dass durch weitere Atombomben die gesellschaftliche Ordnung und damit ihre Macht zusammenbrechen würde.

Im Roman erinnert sich Winston an einen Zeitpunkt, als eine Atombombe über Colchester abgeworfen wurde und eine Massenpanik ausgelöst hatte. Die drei Großmächte erkannten schließlich, dass die Vernichtung des Gegners nicht ohne die eigene Vernichtung möglich sei. Statt aber den Krieg zu beenden, beschlossen sie zunächst, um die Vormachtstellung in Afrika zu kämpfen, um anschließend, durch Ausbeutung der Rohstoffe und Menschen Afrikas, auch ihre Gegner besiegen zu können. Obwohl allen drei Seiten bewusst ist, dass dieser Plan niemals aufgehen kann, da, sobald eine Macht so etwas wie eine Vorherrschaft zu erringen droht, sich die anderen zwei Seiten gegen sie verbünden würden, halten sich alle Seiten an dieses Abkommen. Denn inzwischen haben sie erkannt, dass der ständige Krieg es ihnen erlaubt, die Bevölkerung in einem Zustand der ständigen Angst und Arbeitshetze zu halten, ohne je den Lebensstandard in ihren Ländern heben zu müssen, da die schwer erarbeiteten Güter immer wieder an der Front vernichtet werden könnten. Die Partei glaubt, dass eine Bevölkerung, die ständig damit beschäftigt ist, sich um die notwendigsten Dinge zum Leben zu sorgen, keine Zeit für kritische Gedanken habe und damit leicht zu kontrollieren und zu manipulieren sei.

Die drei Großmächte kämpfen selten auf ihrem Territorium, nur die einschlagenden Raketenbomben (die vielleicht aber auch nur von der Partei selbst gezündet werden) terrorisieren die Bevölkerung.

In den späten Fünfzigern wurde die Revolution dann vom Großen Bruder verraten, der mit seiner Theorie vom „englischen Sozialismus“ einen Terrorstaat schuf, bis er 1970 alle Funktionäre neben sich in großen Säuberungswellen verschwinden ließ und einen gigantischen Personenkult um seine Person aufbaute. Dabei wurde nicht einmal seine eigene Existenz gesichert, da ihn kaum jemand je zu Gesicht bekommen hat. Im Jahre 1984 ist „Luftstützpunkt Nummer Eins“ (Airstrip One, das frühere Großbritannien, in neueren Ausgaben auch mit „Landefeld Eins“ übersetzt) zur drittreichsten Region in Ozeanien geworden, was aber nicht viel bedeutet.

Gesellschaft

Die oligarchische Gesellschaft von Ozeanien ist wie eine Pyramide aufgebaut und an die Verhältnisse in der Sowjetunion angelehnt in drei hierarchische Gruppen unterteilt: Innere Partei, äußere Partei und Arbeiter (Proles)

  • Die Mitglieder der Inneren Partei machen zwei Prozent der Bevölkerung aus. Sie stellen die Oberschicht dar und haben alle führenden Positionen inne. Sie genießen viele Privilegien und sind auf jeden Fall nicht den strengen Rationierungen unterworfen, die für den Rest der Gesellschaft gelten. Die Teleschirme in ihren Arbeitsräumen (evtl. auch Wohnräumen) können sie selber abschalten. Der Funktionär O’Brien konsumiert zu Hause Wein; ein Luxusgut, über das andere Menschen nicht verfügen. Julia stiehlt bei Gelegenheit auch Kaffee, Tee und Zucker – alles Dinge, die in der Regel nur Mitglieder der Inneren Partei konsumieren. Natürlich sind auch diese nicht dagegen gefeit, von heute auf morgen in Ungnade zu fallen und zur Unperson zu werden. Alle Mitglieder der Inneren Partei sind Brillenträger.[15]
  • Die Mitglieder der Äußeren Partei stellen die Mittelschicht dar und machen etwa 13 % der Bevölkerung aus. Sie üben exekutive Aufgaben im Dienst der Partei aus und dienen lediglich deren Aufrechterhaltung. Manche von ihnen sind in intellektuellen Bereichen beschäftigt (etwa der Geschichtsfälschung oder der Arbeit an der neuen Ausgabe des Newspeak Dictionary) und geraten so in eine Position, in der sie der Partei gefährlich werden können. Viele von ihnen verschwinden früher oder später spurlos (Ausdruck im Roman: „vaporisiert“ („verdampft“)), wie zum Beispiel Syme, ein Bekannter von Winston, der am Neusprech-Wörterbuch arbeitet.
  • Die Proles, die Arbeiter, machen zwar 85 % der Bevölkerung aus, werden aber durch Armut und Medien bewusst dumm und passiv gehalten und stellen selbst beim offensichtlichen Charakter der Diktatur der Partei kein Risiko für deren Position dar. Dies wird erreicht, indem gewaltige wirtschaftliche Mittel nicht den Armen zugutekommen, sondern in einem permanenten Krieg vernichtet werden (z. B. Bau von „Schwimmenden Festungen“, engl. Floating Fortresses). Auch dient dieser Krieg als Begründung dafür, dass sich das Land ständig in einer Notlage befindet und sich gar keinen „Luxus“ wie Demokratie, Freiheit oder Armutsbekämpfung leisten kann. Dazu produziert der Staat ständig billige Schnulzenlieder, Groschenromane, Pornofilme und andere Dinge, die ausschließlich von den Proles konsumiert werden dürfen. Ebenfalls organisiert der Staat eine Lotterie, bei der die Großgewinner fiktiv sind – aber doch sind die Proles, mangels anderer Beschäftigung, von diesen einfältigen Tätigkeiten hingerissen. Sie haben keine Zeit oder keine Ambition, den Staat zu kritisieren, aber dennoch ist diese Kaste die einzige, die in der Lage wäre, einen Umsturz herbeizuführen. Wenn es nach dem Scheitern des Protagonisten noch Hoffnung auf Veränderung gibt, so geht diese von den Proles aus. Während Mitglieder der Inneren und Äußeren Partei einander mehr oder weniger akzeptieren, sehen sie in den Proles nichts anderes als Tiere; faktisch kann niemand aus der Schicht der Proles aufsteigen. Auch haben die Proles den niedrigsten Lebensstandard innerhalb der Gesellschaft.

Das Buch des Oppositionellen Emmanuel Goldstein beschreibt die Entstehung dieser drei Klassen so, dass die sozialistischen Revolutionäre, die aus der früheren Mittelschicht stammen und aus denen sich die Funktionäre der Partei rekrutieren, die ursprüngliche Idee des Marxismus, die die Befreiung der Arbeiterklasse vorsah, soweit pervertiert haben, dass sie ihnen ihren Machterhalt ermöglicht. Trotzdem geht es nach der offiziellen Darstellung der Partei allen Bürgern – auch den Proles – besser als vor der Revolution, obwohl sie in heruntergekommenen einförmigen Mietskasernen leben und nur das Lebensnotwendige an Kleidung und Nahrungsmitteln besitzen. Das Bild der Gesellschaft vor der Revolution, das in den Geschichtsbüchern vermittelt wird, beschreibt die Unterdrückung durch ausbeuterische Kapitalisten, Geistliche und Aristokraten, Armut, Obdachlosigkeit, Kinderarbeit und das ius primae noctis. Dies ist ein Zerrbild der englischen Klassengesellschaft vor dem Zweiten Weltkrieg, aber auch eine Anlehnung an das in sozialistischen Staaten tatsächlich vermittelte Geschichtsbild, das zur Ablenkung von gegenwärtigen Problemen und zur Bestätigung der Parteiparole von der „Befreiung der Menschheit“ dienen sollte.

Überwachung

Orwell beschreibt in 1984 eine totale Überwachung, hauptsächlich mit Hilfe von Teleschirmen (telescreens[16]) ausgeübt, der sich kein Mitglied der Äußeren Partei entziehen kann (bei der Inneren Partei ist es nicht klar – O’Brien kann sich anscheinend für kurze Zeit entziehen, da er den Teleschirm abschalten kann). Der Teleschirm ist sowohl Sende- als auch Empfangsgerät, das in jedem Haus der inneren und äußeren Partei, an öffentlichen Plätzen und bei der Arbeit die Bürger Ozeaniens überwacht. Niemand weiß, ob man gerade beobachtet wird oder nicht, und man kann nur darüber spekulieren, wie oft oder nach welchem System sich die Gedankenpolizei in die Privatsphäre einschaltet. Darum ist es sogar denkbar, dass sie ständig alle (Parteimitglieder) beobachtet. Siehe auch Panopticon, das Konzept totaler Überwachung.

Ein weiteres Mittel zur Überwachung sind Mikrofone, die überwiegend in ländlichen Gegenden eingesetzt werden. Diese sind besonders deswegen gefürchtet, weil sie, im Gegensatz zu den Teleschirmen, versteckt sind und man so noch weniger weiß, ob man überwacht wird oder nicht.

Auch patrouillieren in unregelmäßigen Abständen Hubschrauber der Gedankenpolizei durch die Wohngegenden und spähen direkt in die Fenster, was aber weniger der tatsächlichen Überwachung dient, sondern eher ein Gefühl der Ohnmacht und ständigen Beobachtung hervorrufen soll.

Im Gegensatz zu dieser offenen Überwachung gibt es noch die Bespitzelung der Menschen untereinander. Besonders Kinder werden schon in der Jugendorganisation der Spitzel/Späher (spies) dazu erzogen und animiert, ihre Eltern auszuspionieren und zu verraten. Manche Eltern sind sogar stolz darauf, wenn ihre Kinder andere oder sogar die eigenen Eltern verraten, so zum Beispiel im Falle Parsons, Winstons Nachbarn, eines angepassten, im Sinne des Systems funktionierenden Mitglieds der Äußeren Partei. Parsons wird von seiner siebenjährigen Tochter denunziert, als er sich im Schlaf negativ über den Großen Bruder äußert. Außerdem werden alle Parteimitglieder in Vereinen organisiert und sind dazu aufgerufen, möglichst viel Zeit in Gemeinschaftshäusern zu verbringen, damit jeder jeden im Blick hat.

Die Proles werden nur vereinzelt überwacht, da sie nicht als Menschen und ihre Ansichten als bedeutungslos angesehen werden.

Ministerien

Der Aufbau der Regierung in 1984 ist eine Parodie auf eine bekannte Rede des US-Präsidenten Roosevelt vor dem Kongress 1941 über die „vier Freiheiten“ („freedom of speech and religion, from want and fear“): die Redefreiheit, die Religionsfreiheit, die Freiheit von Mangelzuständen und von Furcht. George Orwell verwendete diese Rede zusammen mit seinen Erfahrungen bei der British Broadcasting Corporation (BBC) dazu, um die vier Ministerien von Ozeanien zu erschaffen:

  • Ministerium für Frieden (Minipax): Dieses Ministerium befasst sich damit, den immerwährenden Krieg in Gang zu halten. Eventuell ist es auch für die Angriffe auf eigene Städte verantwortlich, um die Kriegsstimmung aufrechtzuerhalten.
  • Ministerium für Überfluss/Überfülle (Miniflu(ss)/Minifülle): Dieses Ministerium ist für Wirtschaft und die Ausarbeitung der Drei-Jahres-Pläne zuständig, die laut offiziellen Meldungen ständig erreicht bzw. übertroffen werden, während die tatsächliche Produktion wahrscheinlich absichtlich gering gehalten wird. So werden angeblich 145 Millionen Stiefel pro Jahr produziert, während „die Hälfte der Bevölkerung Ozeaniens barfuß“ geht. Das Ministerium sorgt also auch dafür, dass nie genug Konsumgüter vorhanden sind beziehungsweise die Qualität extrem schlecht bleibt (man vergleiche Winstons Bemerkungen über die schlechte und sogar abnehmende Qualität von Schokolade, Victory-Zigaretten und Victory-Gin).
  • Ministerium für Liebe (Minilieb): Dieses mysteriöse und gefürchtete Ministerium unterhält die Gedankenpolizei, die Abweichler aufspürt und dorthin bringt. Dort werden sie solange gefoltert, bis sie „umgedreht“, also wieder voll und ganz auf Parteilinie sind. Einige werden danach freigelassen, um noch einige Zeit in Ozeanien zu leben, bevor sie erschossen werden. Andere werden sofort erschossen.
  • Ministerium für Wahrheit (Miniwahr): Dieses Ministerium befasst sich mit der Vergangenheit beziehungsweise mit deren ständiger Manipulation. Sämtliche Bücher, Filme, Schriften, Zeitungen, Tonaufnahmen etc. aus vergangener Zeit werden hier ständig revidiert und an die aktuelle Linie der Partei angepasst, sodass laut allen Aufzeichnungen, die existieren, die Partei immer recht hat und immer recht gehabt hat.

„Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten – dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.“ (Vgl. Teil 1 aus 1984.) „Wer die Macht über die Geschichte hat, hat auch Macht über Gegenwart und Zukunft.“

Rezeption und Eingang in die Kultur der Gegenwart

Nachdem der ehemalige CIA-Mitarbeiter Edward Snowden 2013 als Whistleblower tausende von Dokumenten über die weltweite Überwachung durch US-amerikanische und britische Nachrichtendienste öffentlich gemacht hatte, geriet Orwells Roman wieder verstärkt in die öffentliche Debatte.

Eric Arthur Blair (George Orwell) traf sich mit Leopold Kohr (Preisträger des Right Livelihood Award von 1983, geistiger Vater von „small is beautiful“) 1937 in Valencia eine Woche lang täglich in einem Café, während beide Berichterstatter für internationale Zeitungen über den Spanischen Bürgerkrieg waren. Sie diskutierten dort über die Tendenz allgegenwärtiger Überwachung in zentralisierten Gesellschaften.[23]

Orwells Roman wird regelmäßig zitiert, bzw. häufig nur der Titel 1984 oder auch nur der Name Orwell genannt, um kritisch auf Tendenzen hin zu einem Überwachungsstaat hinzuweisen. Ähnlich wird auch der Begriff des Großen Bruders eingesetzt, etwa bei den Big Brother Awards.

Seit etwa 2009 geschah dies zum Beispiel öfter mit Bezug auf das Forschungsprojekt INDECT der EU zur „präventiven Verbrechensbekämpfung“ mittels automatischer Auswertung von Überwachungskamerabildern des öffentlichen Raums. So bezeichnete der britische Daily Telegraph das Projekt 2009 als Orwellschen Plan.[4] Der Freitag fragte mit Bezug auf das Projekt rhetorisch, ob Orwell wohl ein „naiver Optimist“ war.[5]

1999 wurde das Werk in Frankreich auf Platz 22 der Liste der hundert besten Bücher des 20. Jahrhunderts gewählt.

Die DDR wertete Orwells Werk als staatsfeindliche Hetzschrift und verhängte hohe Zuchthausstrafen für die Lektüre und den Verleih, weil er, gemäß einer Urteilsbegründung, den Sozialismus verteufele und verunglimpfe und die Sowjetunion sowie die Führungsrolle der marxistisch-leninistischen Parteidiktatur diffamiere.[24][25]

Nach Bekanntwerden des geheimen, umfassenden PRISM-Überwachungsprogramms des US-Geheimdiensts NSA durch den Whistleblower Edward Snowden im Juni 2013 erlebte das Buch in den USA und Großbritannien ein Revival. Es stieg nach Medienberichten in der Liste der meistverkauften Bücher des Internet-Buchhändlers Amazon.com in den USA auf Rang 66 und in Großbritannien auf Platz 42.[26] Im Januar 2017 rangierte es in den USA sogar wieder auf Platz 1, nachdem die Beraterin des US-Präsidenten Donald Trump, Kellyanne Conway, in einem Interview den Begriff „alternative Fakten“ hinsichtlich der Aussagen des Pressesprechers Sean Spicer über die Zuschauerzahlen bei Trumps Amtseinführung verwendete, einer Phrase, die für Orwells „Doppeldenk“ charakteristisch sei.[27]

Das Album Diamond Dogs von 1974, das David Bowie auch in den USA zum Durchbruch verhalf, war ursprünglich als Musical des Romans angelegt. Nachdem bereits vier Songs geschrieben waren, erfuhr Bowie, dass Orwells Witwe ihm nicht die Rechte einräumen würde, das Projekt als solches zu verwirklichen. Auf dem fertigen Album finden sich bereits in den Titeln 1984 und Big Brother direkte Referenzen auf das Buch. Auch bestimmte Textzeilen weisen auf die ständige Überwachung und die damit einhergehenden Konsequenzen hin, so in We are the dead.[28]

Bezüge zur Gegenwart werden verschiedentlich ebenfalls in der Debatte um Politische Korrektheit gezogen, welche durch Sprachtabus und Euphemismen an Orwells „Neusprech“ und „Gutdenk“ erinnere.[29][30]

Quelle

Die Woke Linke und ihre verschiedenen Hydra-Köpfe (BLM, Social Justice, Gender, Kritische Rassentheorie, LGBTQ-Suppe) sind nichts weiter als ein Angriff auf 500 Jahre Aufklärung und Freiheit und ein internationales Komplott, um die westliche Welt in ein weiteres dunkles Zeitalter zu stürzen und die Uhr ins Mittelalter zurückzudrehen.
Es ist eine neofeudalistische, neofaschistische Bewegung, getarnt unter der falschen Maske des Wohlwollens und im Kampf gegen eine Fata Morgana der Unterdrückung, die nichts anderes ist als ein nackter Griff nach der Macht, die Installation einer neuen Kirche, einer neuen Inquisition und einer neuen Autorität, der man sich beugen muss.

Emperor Caligula – YouTuber

Huxleys Szenario: Die „schöne neue Welt“

Der Weltstaat

In seinem Roman beschreibt Huxley eine Welt, in der es gelungen ist, mit Hilfe künstlicher Fortpflanzung, Konditionierung und Indoktrination eine perfekt funktionierende Gesellschaft zu erschaffen. Das Jahr 1 jener Welt entspricht dem Jahr 1908 unserer Zeitrechnung, in dem das Model T von Henry Ford erstmals vom Band lief. Im Jahre 141 A.F. (Anno Ford, in Anlehnung an A.D; anno domini), also im Jahr 2049 n. Chr., brach ein neun Jahre dauernder Krieg aus, in dem chemische und biologische Massenvernichtungswaffen eingesetzt wurden. Danach folgte ein weltweiter wirtschaftlicher Kollaps. Die damaligen Regierungen bildeten deshalb eine Weltregierung und versuchten, eine Konsumideologie in der Bevölkerung durchzusetzen. Damit trafen sie aber in Teilen der Bevölkerung auf Widerstand, der auch nicht mit Gewalt kontrolliert werden konnte. Die Weltregierung beschloss daher eine langfristige friedliche Reformation. Um eine fortwährend glückliche und wohlhabende Gemeinschaft zu schaffen, wurde Propaganda gegen die natürliche Fortpflanzung gemacht und die ersten Brut- und Aufzuchtzentren geschaffen. Diese Kampagne beinhaltete auch das Schließen sämtlicher Museen, die Zerstörung aller Denkmäler und das Verbot aller vor dem Jahr 150 A.F. verfassten Bücher. Der Roman spielt im Jahr 632 A.F., zu einer Zeit, in der sich der Weltstaat vollständig etabliert hat und fast alle Menschen auf der Erde unter seiner Kontrolle stehen. Es herrscht ein totalitäres, jedoch nicht gewalttätiges politisches System unter dem Primat von „Gemeinschaftlichkeit, Einheitlichkeit, Beständigkeit“. Ein Relikt der alten „primitiven“ Kultur wird in kleinen isolierten Reservaten von der Weltregierung geduldet. Die Menschen in den Reservaten leben in einer traditionellen Stammeskultur, die natürliche Lebensvorgänge wie Geburt, Krankheit und Altern einschließt.

Der Mensch in der „schönen neuen Welt“

Kastensystem

Alle Mitglieder der Gesellschaft haben eine vorbestimmte Aufgabe. Die Menschen werden in einer Art Massenproduktion im Labor künstlich „gezüchtet“ und durch Konditionierung auf ihre Rolle vorbereitet. Sie werden in Reproduktionsfabriken je nach wirtschaftlichem Bedarf in fünf Kasten (Alphas, Betas, Gammas, Deltas oder Epsilons) produziert. Damit keine Menschen mehr auf natürliche Weise gezeugt und geboren werden und der Staat nicht die Kontrolle über Anzahl und Ausprägung seiner Bürger verliert, werden die Menschen konditioniert, natürliche Empfängnis und Elternschaft als etwas Unanständiges aus barbarischen Zeiten zu betrachten. Zusätzlich werden die meisten Frauen sterilisiert, die wenigen fruchtbaren Frauen nehmen nach einem festen Ritual Verhütungsmittel ein. Bei der Produktion von Kindern, also neuen Bürgern, wird die Entwicklung der Embryonen je nach der Klasse, der das Kind zugehören soll, gesteuert. Der Herstellungsvorgang besteht aus zwei unterschiedlichen Verfahren für die beiden oberen und die drei unteren Kasten. Im sogenannten Bokanowsky-Verfahren wird eine befruchtete Eizelle zur Teilung angeregt, aus der 8 bis 96 Embryos entstehen. Hierbei entwickeln sich Klone, identische Menschen, welche allerdings unterentwickelt sind und sich zu „Gammas“, „Deltas“ und „Epsilons“ entwickeln. Zukünftigen Mitgliedern niederer Kasten werden zudem gezielt schädliche Substanzen wie Alkohol verabreicht und Sauerstoff entzogen, um ihre Entwicklung zu hemmen und ihre Intelligenz niedrig zu halten. Alphas und Betas entstehen dagegen aus einer ungeteilten Eizelle, sie sind Individuen. Sie werden mit für die Entwicklung wichtigen Substanzen und Impfungen versorgt.

Nach der Geburt werden die Menschen ihrer „Produktionsklasse“ entsprechend konditioniert. Diese Konditionierung beinhaltet als grundlegende Lektionen für alle Kasten:

  • Man ist glücklich, zu seiner Kaste zu gehören und zu keiner anderen.
  • Alle Klassen sind unverzichtbar für die Gemeinschaft.
  • Man kann nur in der Gemeinschaft glücklich sein, Einsamkeit ist etwas Schlechtes.

Die Konditionierung findet durch zwei Methoden statt: Einerseits über die Belohnung bzw. Bestrafung von Handlungen, andererseits über das Abspielen von Tonbändern mit einfachen, eingängigen Botschaften während des Schlafs der Kinder und Jugendlichen, die „Schlafschule“ (im Original: „hypnopaedia“). Sie stabilisiert die Gesellschaft, indem sie garantiert, dass alle Menschen mit dem System zufrieden sind. Das so vermittelte gemeinsame, einheitliche Weltbild lässt das Individuum ganz in der Gesellschaft aufgehen, nur dort fühlt es sich geborgen. Siehe dazu auch: Kollektivismus.

Sexualität

Die gesellschaftlichen Normen fordern von den Bürgern mit kontinuierlich wechselnden Partnern zahlreiche sexuelle Kontakte, die ausschließlich dem Vergnügen dienen sollen. Liebe und emotionale Leidenschaft gefährden nach Meinung der Weltregierung die Stabilität. Kunst und Literatur sind durch das „Fühlkino“ (im Original: Feelies) ersetzt, in dem auch körperliches Empfinden dem Zuschauer physiologisch übertragen wird. Der Handlungsverlauf der gezeigten Stücke ist allerdings ohne tiefere Bedeutung, da aufgrund der emotionalen Verarmung der Menschen die Grundlage für einen anspruchsvollen Inhalt fehlt. Die Geschichten sind daher trivial und gleichförmig auf Action und Erotik ausgelegt.

Die Droge Soma

Um größere Gefühlsschwankungen zu vermeiden, die zu negativen Verstimmungen führen können, nehmen die Menschen regelmäßig Soma ein, eine Droge, die stimmungsaufhellend und anregend wirkt und auch als Aphrodisiakum verwendet wird. Anders als Alkohol hat es bei üblicher Dosierung keine Nebenwirkungen und wird synthetisch hergestellt. Motto: Ein Gramm versuchen ist besser als fluchen.[8] Der Begriff wurde aus dem Hinduismus übernommen, die Droge funktioniert jedoch nicht wie das dortige “Soma”, sondern eher wie moderne Beruhigungsmittel.

Krankheit und Altern

Krankheiten gibt es nicht mehr, sie werden durch pränatale Impfungen ausgemerzt. Die Menschen sind stets gesund und leistungsfähig. Das Altern geschieht fast unmerklich. Die Menschen spüren keinen körperlichen Leistungsrückgang und verändern sich durch Sportaktivitäten und Verwendung moderner Kosmetik äußerlich nur geringfügig. Die menschliche Lebenszeit ist auf ein Alter zwischen 60 und 70 Jahren begrenzt. Bis dahin bleiben die Menschen vital und sterben dann sehr schnell und schmerzlos im Soma-Halbschlaf. Die Angst vor dem Tod wird durch Konditionierung beseitigt, indem Kindergruppen durch Sterbehospitale geführt werden, wo still vor sich hindämmernde Sterbende zu sehen sind.

Bildung

Bildung beschränkt sich auf eine pragmatische, für die Gemeinschaft nützliche Wissensvermittlung. Humanistische Bildung ist gesellschaftlich nicht gewünscht, da sie den Menschen zum Nachdenken anregt und ihm eine kritischere Sicht auf die Welt ermöglicht. Da es nicht im Interesse der Allgemeinheit ist, den Menschen für die Defekte dieser Gesellschaft zu sensibilisieren, wird jede Bildung, die sich auf kulturelle Überlieferung stützt, unterdrückt. „Geschichte ist Mumpitz“ (Original: History is bunk, ein bekannter Ausspruch Henry Fords) lautet einer der Leitsätze der Weltregierung. Die offizielle Propaganda über die schlechten Zustände in der „alten Welt“ ist für die allermeisten Bürger die einzige Geschichtskenntnis. Auch der technische Fortschritt wird eingeschränkt, um die Stabilität der Gesellschaft nicht zu gefährden. So werden z. B. arbeitssparende Erfindungen ignoriert bzw. verboten, da Arbeitslosigkeit, selbst bei materiellem Wohlstand, zu Unzufriedenheit führt.

Kulthandlungen

An die Stelle der Religion tritt ein Verehrungskult für den Automobilbauer Henry Ford. Wichtige Persönlichkeiten werden als „Fordschaft“ (Original: „Fordship“) angesprochen. Symbol des Kultes ist der Buchstabe T in Erinnerung an das Modell T des Ford-Konzerns und auch in Anlehnung an das christliche Kreuz, welches durch ein T ersetzt wurde. Eine Variante des Ford-Kultes ist die Verehrung Sigmund Freuds, des Begründers der Psychoanalyse. So wurde aus der häufig gebrauchten Floskel „Oh, Gott“ der Ausruf „Oh, Ford“ oder „Oh, Freud“. Im sogenannten „Solidarity Service“ wird eine Art Gottesdienst mit Singen und Tanzen begangen, der nach Soma-Einnahme in einer Gruppensex-Orgie endet.

Die Menschen im Reservat leben nach einem religiösen Kult, der christliche Vorstellungen mit indianischem Naturglauben verbindet. Dazu gehören auch Initiations– und Geißelungsrituale.

Aldous Huxley zur „schönen neuen Welt“

Vorwort zur zweiten Ausgabe

Im Vorwort zur zweiten Ausgabe von Brave New World (1949) bzw. Welt – Wohin? (1950 unter dem Titel Wackere neue Welt. Ein Roman der Zukunft) übt Aldous Huxley Selbstkritik an seinen „literarischen Unzulänglichkeiten“,[9] deren größte es sei, „dem Wilden“ John (dt. Michel) nur zwei Lebensmöglichkeiten geboten zu haben: ein „wahnwitziges Leben im Lande Utopia oder das [irrwitzige] Leben eines Primitiven in einem Indianerdorf“. Eine dritte Lebensform zwischen den beiden Extremen läge „in der Möglichkeit geistesgesunden Lebens, verwirklicht in einer Gemeinschaft von Verbannten und Flüchtigen aus der schönen neuen Welt“ mit einer nicht zentralistischen Wirtschaft, einer kooperativen Politik und einer dem Menschen dienenden, nicht ihn versklavenden Naturwissenschaft und Technologie. In dieser dritten Lebensform würde Religion – angesiedelt zwischen purer Mythologie und reinster Areligiosität – zu einer Art Vernunftreligion im Sinn eines „Strebens nach Geistesgesundheit der frei zusammenwirkenden Individuen“. Ziel dabei sei ein „höherer Utilitarismus, worin das Prinzip des größten Glücks dem des höchsten Zwecks untergeordnet sei“, dem Endzweck nämlich, eine „einende Erkenntnis des immanenten Taos oder Logos“ zu erreichen – und somit auch soziale Beständigkeit.

Darin läge die „wirklich revolutionäre Revolution, die sich nur in den Seelen und Körpern der Menschen bewirken lasse“, nicht aber in irgendeiner äußeren Form, z. B. einer oberflächlich-politischen wie bei Robespierre, einer wirtschaftlichen wie bei Babeuf oder einer sexuell konnotierten, letztlich chaotisch-zerstörerischen wie beim Marquis de Sade, aber auch nicht als rein naturwissenschaftliche.

An einem Roman der Zukunft müsse interessieren, wie weit dessen Prophezeiungen Wirklichkeit werden könnten. Hat die Menschheit die Vernunft, Kriege nicht oder so eingeschränkt zu führen, um derart Schaden zu minimieren? Bestimme nicht z. B. die Atomphysik ein Prokrustes-Bett, in das sich die Menschheit einfügen müsse? Sie müsse lernen, die Atomkraft zu zähmen und setze dabei, wie die unmittelbare Vergangenheit gezeigt habe, sehr wahrscheinlich „hochzentralisierte totalitäre Regierungen“ ein; denn: technische Umwälzungen neigten in einer „massenerzeugenden Wirtschaft und vorwiegend besitzlosen Bevölkerung“ stets zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Unruhen. „Nur eine ganz große, auf Dezentralisierung und Selbsthilfe gerichtete Volksbewegung könnte den gegenwärtigen Zug zur Staatsallmacht aufhalten.“

Dieser Totalitarismus herrsche nicht über eine Bevölkerung von Zwangsarbeitern wie bisher mit niederknüppelnder Macht, sondern weit effizienter, indem er dem Volk mittels Propaganda, Medien und schulischer Erziehung dessen Versklavung zu lieben beibrächte. Besonders wirksam dabei sei es, der Bevölkerung nicht mit Argumenten beizukommen, um unerwünschte Entwicklungen zu verhindern, sondern gezielt Informationen zu verbergen: „groß ist die Wahrheit, aber größer, vom praktischen Gesichtspunkt, ist das Verschweigen der Wahrheit“. Voraussetzung dafür sei wirtschaftliche Sicherheit, die aufrechtzuerhalten erste Priorität eines solchen totalitären Staates sein dürfte. Weitere staatliche Manipulationen seien zu erwarten: 1) Suggestion schon im Kleinkindesalter und Einsatz von Medikamenten; 2) staatlich maximierte und geförderte klare Zuweisung von Rangplätzen innerhalb der Gesellschaft zwecks Hebung allgemeiner Zufriedenheit, 3) noch zu ersinnende Rauschmittel, die weniger gefährlich sind als Alkohol oder Heroin, aber ein Ausklinken aus dem Alltagstrott erlaubten zur Erhöhung allgemeinen Wohlbefindens; schließlich 4) eugenische Normung der künftigen Menschen. Letzteres ist literarisch, in der „schönen neuen Welt“, schon vermittels Brut- und Normierungsanstalten ebenso perfekt entwickelt wie die Wohlfühldroge Soma oder die Medikamentengaben in Form von Hormonen und Schutzimpfungen.

Von der einstigen Gegenwart um 1950 aus gesehen dürften die Äquivalente für das Rauschmittel Soma, die Hypnopädie (Schlafschule, Suggestion) und das wissenschaftlich durchgeführte Kastensystem nur noch drei bis vier Generationen entfernt zu sein, doch die sexuelle Promiskuität der „schönen neuen Welt“ zeige sich schon in deutlicheren Umrissen (steigende Scheidungsraten). „Je mehr sich politische und wirtschaftliche Freiheit verringern, desto mehr strebt, entschädigungsweise, die sexuelle Freiheit danach, sich zu vergrößern. Der Diktator […] wird gut daran tun, diese Freiheit zu fördern. In Verbindung mit der Freiheit des Tagträumens unter dem Einfluss von Rauschmitteln, Kino und Rundfunk wird die sexuelle Freiheit dazu beitragen, seine Untertanen mit der Sklaverei, die ihr Los ist, zu versöhnen.“ In diesen Hinsichten dürfte sich „Utopia“ bereits weit mehr verwirklicht haben als man auf den ersten Blick hin glaube.

Quelle