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Cyberpunk

Cyberpunk, gebildet aus den Begriffen Cyber (von altgr. κυβερνάω für steuern oder lenken) und Punk, ist eine dystopische Richtung der Science-Fiction-Literatur, die in den 1980er Jahren entstand. Der Begriff tauchte erstmals 1980 in einer gleichnamigen Kurzgeschichte von Bruce Bethke auf[1] und wurde schließlich von Gardner Dozois geprägt, um die Werke von William Gibson (speziell die Neuromancer-Trilogie) zu beschreiben.[2] Cyberpunk gilt als der Film noir unter den Science-Fiction-Genres.

Im Unterschied zu den klassischen Utopien vieler anderer Science-Fiction-Genres ist die Welt des Cyberpunk nicht glänzend und steril-sauber, sondern düster, und von Gewalt und Pessimismus geprägt. Entstanden in den 1980er Jahren, spiegelt sie die aufkommende Kritik gegen die als zunehmend empfundene Kommerzialisierung und Urbanisierung wider. In dieser Dystopie werden die Staaten von großen Konzernen kontrolliert, die die staatliche Monopolmacht für ihre Zwecke missbrauchen, wodurch die (in entwickelten Ländern zuvor vorhandene) physische und ökonomische Sicherheit des Individuums verloren gegangen ist. Das Versprechen einer besseren Welt durch technologischen Fortschritt wurde nicht eingelöst. Die Hochtechnologie dient nicht dem Wohl der Menschen, sie wird zur allgemeinen Überwachung und zur Optimierung lebender Organismen mittels Cyberware eingesetzt.

Einige Leser und Kritiker sehen in diesem Szenario Einflüsse der Kapitalismuskritik: Die Konzerne haben die Macht übernommen, Regierungen gibt es keine mehr oder spielen eine sehr untergeordnete Rolle. Für „Ordnung“ sorgen private, paramilitärische Sicherheitsdienste. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen oft mit Technologie, wie mit dem von William Gibson geprägten Begriff des Cyberspace – eine ähnliche Technologie wird bei Neal Stephenson Metaverse genannt – oder SimStim.

Vor diesem Hintergrund zeichnet Cyberpunk oft das Bild einer Subkultur, die gleichsam als Gegenpol zu einer neuen Weltordnung ohne soziale und persönliche Sicherheit entstand; beliebt sind in dieser Rolle Hacker. Die Hauptfiguren sind meist die Verlierer dieser Entwicklung. Es sind Glücksritter und Abenteurer, die – oftmals unfreiwillig – ein Leben abseits der Großkonzerne „im Schatten“ der Gesellschaft führen. Viele Erzählungen setzen sie als Protagonisten der Macht und Skrupellosigkeit der entfesselten Konzerne entgegen.

Definitionen

„Cyberpunk ist ein Subgenre von Science-Fiction, das sich durch in einer Gegenkultur angesiedelten Antihelden auszeichnet, die in einer unmenschlichen, hochtechnisierten Zukunft gefangen sind.

(Originaltext: Cyberpunk, a science-fiction subgenre characterized by countercultural antiheroes trapped in a dehumanized, high-tech future.)“[4]

„Cyberpunk ist ein Subgenre von Science Fiction, das fortschrittliche Wissenschaft und Technik mit einer urbanen, dystopischen Zukunft verknüpft. Mächtige Großkonzerne und private Sicherheitskräfte stehen dabei einer düsteren, zwielichtigen Unterwelt gegenüber, die von illegalem Handel, Gangs, Drogen und Gewalt regiert wird. Politische Interessen, Korruption und soziale Unruhen ergänzen dieses Spannungsfeld.

“Viel Technik. Wenig Lebensqualität.”

Cyberpunk ist darüber hinaus eine Subkultur mit einer Geisteshaltung und einem prägnanten Stil. Antiautoritär, kritisch gegenüber Marken/ Kooperationen und technikaffin sind nur einige Merkmale, die ein Cyberpunk aufweisen kann.[5]

Interpretation

Die Digitalisierung wird als literarischer Motivgeber genutzt. Stilistisch gesehen besteht das Genre aus einer Mischung von Merkmalen der Krimis im Hard-Boiled-Stil sowie der Literatur des magischen Realismus. Als zentrales Motiv erscheint das sich mit der Technik verbindende menschliche Ego. Es wird zu einer Frage des Speichers und Prozessors. Der biologische Aufbau des Menschen wird zunehmend mit der Funktionsweise des Computers verbunden (Hirn=Speicher, Prozessor). Das Medium des Computers und des Internets wird zu einer Parallelwelt, in der sich das Individuum selbst (re-)konstruiert. Mit der Auflösung des Ichs in der Datenwelt kann Identitätsverlust einhergehen. Im Cyberpunk kann der Wunsch des ewigen Lebens mitschwingen. Das Ego des Menschen wird in oder durch den Computer reproduziert und so unabhängig von der ursprünglichen Verbindung zum Körper gemacht. Das Individuum kann tief mit der Datenwelt verwoben sein, so dass dieser Zustand als natürlich interpretiert wird. In den 1980er Jahren erfuhr das Genre einen Boom, was ebenso zu einer Herausbildung eines regelrechten Inventars an Merkmalen führte. Zu diesen Merkmalen zählen:

  • urbane Dystopien
  • virtuelle, computergenerierte Welten
  • Implantate und technische Modifikationen des menschlichen Organismus
  • psychische Integration in die Datenwelt
  • künstliche Intelligenz
  • eine von Trusts regierte Welt, schwacher oder nicht vorhandener Staat
  • Informationskontrolle
  • kriminelle Unterwelten
  • Drogenkonsum

Die Datenwelt erscheint zunehmend als schwarz-romantisches Universum, das einer Verklärung durch die Technik geschuldet ist. In diesem Zusammenhang versteht sich das Genre auch als eine wiederbelebte Neoromantik. Der bekannteste Roman des Genres Neuromancer prägt den Begriff als eine Wortbildung aus Neuro, Romancer („Fantast“) und Necromancer.[13]

Abgeleitetes

Cyberpunk-Subgenres

Es gibt verschiedene Subgenres von Cyberpunk, die unterschiedliche Einzelaspekte in den Vordergrund setzen.

Steampunk

Steampunk, auch Retro-Futurismus genannt, ist ein Subgenre des Cyberpunk, bei dem die Zukunft aus der Perspektive des viktorianischen Zeitalters gesehen wird. Beim Steampunk entsteht somit eine Welt, die Elemente der Zukunft und der Vergangenheit miteinander verbindet. Vor allem Dampfmaschinen, aber auch viktorianische Kleidung und Frisuren sorgen für eine Zukunft im Retro-Look, die an Jules Verne und H. G. Wells erinnert.[16]

Ein typisches Steampunk-Werk ist die Kinderbuchserie Eine Reihe betrüblicher Ereignisse von Daniel Handler alias Lemony Snicket, die sowohl dem Spielfilm Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse (2004) als auch der Fernsehserie Eine Reihe betrüblicher Ereignisse als Vorlage diente.

Die literarische Vorlage His Dark Materials sowie die Verfilmung Der Goldene Kompass werden ebenso zum Steampunk gerechnet wie die von Alan Moore und Kevin O’Neill kreierte Comicreihe The League of Extraordinary Gentlemen, sowie die filmische Adaption Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen von 2003.

Auch der Horrorfilm Sleepy Hollow (1999) von Tim Burton, der im viktorianischen England angesiedelte japanische Animefilm Steamboy von 2004 sowie der Thriller Prestige – Die Meister der Magie (2006) sind typische Vertreter des Steampunk.[17]

Dieselpunk

Dieselpunk ist eine Weiterentwicklung des Steampunk, in der statt Dampfmaschinen mit Diesel betriebene Apparaturen im Vordergrund stehen. Die Vision der Zukunft erscheint also immer noch in Retro-Optik, wird aber aus der Perspektive der 1930er- und 40er-Jahre betrachtet. Art déco sowie der Erste und Zweite Weltkrieg sind häufig verwendete Elemente und Themen. Dabei entstand das früheste Werk, was nachträglich dem Dieselpunk zugeordnet wurde, bereits 1927: der Monumentalfilm Metropolis von Fritz Lang spielt in einer fernen Zukunft, in der moderne Technik und Maschinen den Lebensrhythmus der Arbeiterklasse vorgeben. Das Thema Mensch und Maschine wird auch von Dsiga Wertow in seinem Dokumentarfilm Der Mann mit der Kamera (1929) aufgegriffen. In den 1960er Jahren begannen die Hanna-Barbera-Studios die retro-futuristische Zeichentrickserie Die Jetsons zu produzieren, von der bis Ende der 80er Jahre 75 Episoden erschienen. Die Spielfilme Brazil, 1985 von Terry Gilliam und Rocketeer, 1991 von Joe Johnston werden ebenfalls dem Dieselpunk zugeordnet.[18]

Atompunk

Im Atompunk werden retrofuturistische Aspekte mit postapokalyptischen Szenarien, z. B. nach einem Atomkrieg oder einen atomaren Supergau kombiniert. Es ist allerdings auch möglich, die Handlung von der Erde auf einen anderen Planeten zu verlegen, wie in dem Film Forbidden Planet (Deutscher Titel Alarm im Weltall), der für 1956 beeindruckende Spezialeffekte aufzuweisen hatte.

Die Computerspielserie Fallout mit ihrem Setting im Jahr 2077, nachdem ein Atomkrieg die Welt wie wir sie kennen zerstört hat.

Biopunk

Bei Biopunk geht es um wissenschaftlich angeregte biologische Veränderungen, einschließlich Veränderungen des Genoms und Eingriffen, die dem Science-Fiction bzw. Body Horror zugeordnet werden können. Zu den literarischen Vertretern des Biopunk zählt z. B. Schismatrix (1985) von Bruce Sterling und der Science-Fiction-Roman Biokrieg von Paolo Bacigalupi. Filme aus dem Biopunk sind u. a. EXistenZ (1996), Das fünfte Element (1997), The Gene Generation (2007), Repo Men von 2010 sowie einige Episoden der Serie Orphan Black (2013-2017).[19]

Mit einigen der ethischen Fragen, die Biopunk im Bereich der Gentechnik aufwirft, setzt der Science-Fiction-Film Gattaca (1997) so differenziert auseinander, dass er an der University of Toronto begleitend zur Einführung in den Themenbereich Biopunk, Bioethik und die Wissenschaft der Genmanipulation gezeigt und anschließend von Wissenschaftlern und Studierenden diskutiert wird.[20]

Ribofunk, von Science-Fiction Autor Paul Di Filippo gilt als eins der literarischen Hauptwerke des Biopunk.[21][22]

Quelle